Einführung

Richter, Staatsanwälte und weitere Justizmitarbeitende hatten erheblichen Anteil an der Durchsetzung des nationalsozialistischen Unrechtssystems. In Kooperation mit Polizei- und Parteiorganisationen beteiligte sich die Justiz an willkürlichen Terrormaßnahmen und ließ zu, dass das Strafrecht zum Kampfinstrument gegen politische Gegner_innen und jene Menschen wurde, die im Sinne der NS-Ideologie nicht zur ‚Volksgemeinschaft‘ gehörten. Indem sich die Justiz fast widerspruchslos in den Dienst des NS-Staates stellte, trieb ausgerechnet jene Instanz, der die Bewahrung der Rechtsordnung oblag, deren Verfall aktiv voran. Nach 1945 konnten die NS-Jurist_innen ihre Karrieren im Staatsdienst der Bundesrepublik mehrheitlich unbehelligt fortsetzen. Diese personellen Kontinuitäten, ein allgemeiner Unwille zur juristischen Belangung der Justiztäter_innen sowie die erfolgreich gestrickte Legende einer „unpolitischen“ und „gefesselten“ Justiz hemmten bis in die jüngste Zeit hinein eine kritische Aufarbeitung ihrer zentralen Rolle im Nationalsozialismus.

Modul 1.1 | Recht im Unrechtsstaat

Im Fokus des Moduls stehen die schrittweise Überführung der Justiz in das System institutionalisierter Rechtlosigkeit, die rassistisch geprägte nationalsozialistische Rechtsauffassung, zentrale Formen des Justizterrors sowie politische Lenkungsversuche der Rechtspflege.

Modul 1.1 | Recht im Unrechtsstaat

Der Preußische Justizminister Hans Kerrl bei einem Besuch im Referendarlager in Jüterbog. Die angehenden Juristen hatten im Hof das Symbol der Justiz, einen Paragraphen, am Galgen aufgehängt. Jüterbog, 1934. (Gedenkstätte Esterwegen, Bildarchiv preußischer Kulturbesitz)

Modul 1.2 | Arbeitsalltag der Justiz

Die Materialsammlung widmet sich in drei Untermodulen der Rechtspraxis im Nationalsozialismus. Mit Hilfe von biografischen Quellen, Prozess- und Personalakten sowie Erinnerungsberichten werden Handlungsspielräume und -motive eines NS-Richters sichtbar gemacht, eine Machtprobe zwischen einem Juristen und Vertretern der SS über die Zuständigkeiten innerhalb des Justizsystems nachgezeichnet und die Kooperation von Justiz und Polizei am Beispiel der Überstellungspraxis vom Justiz- in das KZ-System behandelt.

Modul 1.2 | Einführung

Modul 1.2.a | Handlungsspielräume von NS-Juristen

Modul 1.2.b | Politische Einflussnahme unerwünscht

Modul 1.2.c | Kooperation von Justiz und Polizei

Volksgerichtshof in Berlin, Prozeß nach dem 20. Juli 1944; v.l.n.r.: Hermann Reinecke, Roland Freisler, Ernst Lautz (BA_Bild_151-39-23)

Modul 1.3 | Das Sondergericht Braunschweig

Das Modul thematisiert die Rolle der Sondergerichtsbarkeit als Instrument des NS-Terrors am Beispiel des Sondergerichts Braunschweig. Die Quellen dokumentieren Aufgaben und Bedeutung der Sondergerichtsbarkeit im NS-Staat, ihre gesetzlichen Grundlagen, politische Einflussnahmen und Lenkungsversuche der Partei und des Justizministeriums sowie Kurzbiografien von Braunschweiger Juristen.

Modul 1.3 | Das Sondergericht Braunschweig

Meldung Todesurteil Erna Wazinski, Braunschweiger Tageszeitung, 25. Oktober 1944

Modul 1.4 | Keine Sühne für Justiz-Verbrechen

Am Beispiel eines gescheiterten Nachkriegsprozesses gegen drei Richter des Sondergerichts Braunschweig wird hier beleuchtet, was der juristischen Aufarbeitung der NS-Justizverbrechen nach 1945 im Wege stand und warum einem mehrfach zum Tode verurteilten Juden trotz offen antisemitischer Urteilsbegründung auch nach dem Krieg keine Gerechtigkeit zuteilwurde.

Modul 1.4 | Keine Sühne für Justiz-Verbrechen

Titelblatt Ermittlungsverfahren gegen drei Sonderrichter, 1948 (NLA WO 62 Nds Fb 2 Nr. 757)

Modul 1.5 | Menschenrechte und Justiz heute

In diesem Modul bilden rechtliche und ethische Fragen zum Verhältnis von Recht und Gerechtigkeit eine thematische Brücke in die Gegenwart. Vor dem Hintergrund, dass auch die heutigen Gesetze Machtverhältnisse repräsentieren, werden Grund- und Menschenrechtsfragen in der aktuellen Strafpraxis und die Gefahren politischer Einflussnahme auf die heutige Justiz thematisiert. Einer Sensibilisierung der Teilnehmenden für ihre eigenen (unbewussten) Stereotypen und Vorurteile folgt eine Auseinandersetzung mit Diskriminierung als strukturellem Verhältnis, das auch außerhalb extremistischer Ideologien wirkmächtig ist.

Modul 1.5 | Menschenrechte und Justiz heute

Justitia-Statue in Potsdam (Colin Smith, http://geo.hlipp.de/photo/26489)