Einführung
Richter, Staatsanwälte und weitere Justizmitarbeitende hatten erheblichen Anteil an der Durchsetzung des nationalsozialistischen Unrechtssystems. In Kooperation mit Polizei- und Parteiorganisationen beteiligte sich die Justiz an willkürlichen Terrormaßnahmen und ließ zu, dass das Strafrecht zum Kampfinstrument gegen politische Gegner_innen und jene Menschen wurde, die im Sinne der NS-Ideologie nicht zur ‚Volksgemeinschaft‘ gehörten. Indem sich die Justiz fast widerspruchslos in den Dienst des NS-Staates stellte, trieb ausgerechnet jene Instanz, der die Bewahrung der Rechtsordnung oblag, deren Verfall aktiv voran. Nach 1945 konnten die NS-Jurist_innen ihre Karrieren im Staatsdienst der Bundesrepublik mehrheitlich unbehelligt fortsetzen. Diese personellen Kontinuitäten, ein allgemeiner Unwille zur juristischen Belangung der Justiztäter_innen sowie die erfolgreich gestrickte Legende einer „unpolitischen“ und „gefesselten“ Justiz hemmten bis in die jüngste Zeit hinein eine kritische Aufarbeitung ihrer zentralen Rolle im Nationalsozialismus.
Modul 1.1 | Recht im Unrechtsstaat
Im Fokus des Moduls stehen die schrittweise Überführung der Justiz in das System institutionalisierter Rechtlosigkeit, die rassistisch geprägte nationalsozialistische Rechtsauffassung, zentrale Formen des Justizterrors sowie politische Lenkungsversuche der Rechtspflege.
Modul 1.2 | Arbeitsalltag der Justiz
Die Materialsammlung widmet sich in drei Untermodulen der Rechtspraxis im Nationalsozialismus. Mit Hilfe von biografischen Quellen, Prozess- und Personalakten sowie Erinnerungsberichten werden Handlungsspielräume und -motive eines NS-Richters sichtbar gemacht, eine Machtprobe zwischen einem Juristen und Vertretern der SS über die Zuständigkeiten innerhalb des Justizsystems nachgezeichnet und die Kooperation von Justiz und Polizei am Beispiel der Überstellungspraxis vom Justiz- in das KZ-System behandelt.
Modul 1.2.a | Handlungsspielräume von NS-Juristen
Modul 1.3 | Das Sondergericht Braunschweig
Das Modul thematisiert die Rolle der Sondergerichtsbarkeit als Instrument des NS-Terrors am Beispiel des Sondergerichts Braunschweig. Die Quellen dokumentieren Aufgaben und Bedeutung der Sondergerichtsbarkeit im NS-Staat, ihre gesetzlichen Grundlagen, politische Einflussnahmen und Lenkungsversuche der Partei und des Justizministeriums sowie Kurzbiografien von Braunschweiger Juristen.
Modul 1.4 | Keine Sühne für Justiz-Verbrechen
Am Beispiel eines gescheiterten Nachkriegsprozesses gegen drei Richter des Sondergerichts Braunschweig wird hier beleuchtet, was der juristischen Aufarbeitung der NS-Justizverbrechen nach 1945 im Wege stand und warum einem mehrfach zum Tode verurteilten Juden trotz offen antisemitischer Urteilsbegründung auch nach dem Krieg keine Gerechtigkeit zuteilwurde.
Modul 1.5 | Menschenrechte und Justiz heute
In diesem Modul bilden rechtliche und ethische Fragen zum Verhältnis von Recht und Gerechtigkeit eine thematische Brücke in die Gegenwart. Vor dem Hintergrund, dass auch die heutigen Gesetze Machtverhältnisse repräsentieren, werden Grund- und Menschenrechtsfragen in der aktuellen Strafpraxis und die Gefahren politischer Einflussnahme auf die heutige Justiz thematisiert. Einer Sensibilisierung der Teilnehmenden für ihre eigenen (unbewussten) Stereotypen und Vorurteile folgt eine Auseinandersetzung mit Diskriminierung als strukturellem Verhältnis, das auch außerhalb extremistischer Ideologien wirkmächtig ist.