Die Ausstellung
Die Ausstellung „Auf der Spur europäischer Zwangsarbeit. Südniedersachsen 1939-1945“ dokumentiert die Lebensgeschichten von angeworbenen, dienstverpflichteten oder auf gewalttätige Weise deportierten Menschen, die während des Zweiten Weltkriegs Zwangsarbeit in Südniedersachsen leisten mussten. In 13 thematischen Stationen zeigt die Ausstellung das Ausmaß, die Bedeutung und die Vielgestaltigkeit von Zwangsarbeit am Beispiel der Region Göttingen-Northeim. Bis zu 60.000 Menschen aus mindestens 16 europäischen Ländern waren hier als Zwangsarbeitende eingesetzt.
Eine Besonderheit der Ausstellung liegt in ihrer europäischen Perspektive. Die Lebensgeschichten polnischer, niederländischer und italienischer Zwangsarbeitender und die damit verbundenen allgemeineren Aspekte werden von Wissenschaftler_innen aus diesen Ländern dargestellt. So greift die Ausstellung die europäische Dimension der NS-Zwangsarbeit auf, multiperspektivisch und auf verschiedenen Zeitebenen. Um den Stellenwert dieser Erfahrung im Leben der Betroffenen kenntlich zu machen, werden ihre gesamten Lebensläufe dargestellt – weit über den Abschnitt der Zwangsarbeit in Deutschland hinaus. Dabei kommen viele ehemalige Zwangsarbeitende selbst zu Wort und berichten von ihren Erfahrungen. Indem die Besucher_innen so von den historischen Akteur_innen gleichsam durch die Ausstellung begleitet werden, treffen sie auf Menschen, die damals im gleichen Alter waren wie sie heute, mit denen sie den Beruf oder die Herkunft teilen. Das eröffnet einen persönlichen Zugang.
Ausstellung als Lernort
Die Ausstellung „Auf der Spur europäischer Zwangsarbeit. Südniedersachsen 1939-1945“ ist keine Gedenkstätte. Sie ist kein Tatort des Nationalsozialismus, kein „Täter-Ort“. Aber eine neutrale Umgebung kann für die Vermittlungsarbeit fruchtbar gemacht werden. Die Besucher_innen kommen ohne medial vorgeprägte Bilder im Kopf. Neue, kreative Vermittlungsformate sind möglich. Zugleich aber fehlt es auch hier nicht an „authentischen Orten“, sie liegen vor der Haustür: Es sind die Firmen und Institutionen, die Zwangsarbeitende einsetzten, die Plätze, auf denen diese Menschen in Lagern untergebracht waren.
Als Lern- und Bildungsort zum Nationalsozialismus in der Region richtet sich die Ausstellung an alle Menschen ab einem Alter von etwa 15 Jahren. Angehörige aller Generationen sollen direkt am Ort ihres Alltagslebens zu einer kritischen Debatte über Zwangsarbeit, Nationalsozialismus und die Erfahrung der Fremdherrschaft ermuntert werden. Jung und Alt sollen motiviert werden, selbst die Spuren der NS-Zwangsarbeit am eigenen Wohnort zu erkunden.
In ihrer Gestaltung setzt die Ausstellung Akzente, die die Besucher_innen überraschen und ihre (möglichen) Erwartungen produktiv brechen. Freundliche Farben ermuntern zum Lesen; künstlerische Elemente eröffnen erste intuitive Zugänge; großformatige Verortungsgrafiken zeichnen Wege der in der Ausstellung porträtierten Menschen im europäischen Raum von Zwangsarbeit.
Die Ausstellung ist interaktiv. Besucher_innen bekommen die Möglichkeit, selbst aktiv zu werden, ihre Interessen einzubringen und Schwerpunkte zu setzen. Wer sich mit dem Thema einer Ausstellungstafel intensiver beschäftigen will, findet Objekte in Vitrinen und kann Schubladen aufziehen, in denen sich ergänzendes Material befindet. In Multimedia-Stationen können weitere Dokumente, vor allem aber zahlreiche lebensgeschichtliche Filminterviews mit ehemaligen Zwangsarbeitenden abgerufen werden. Eine interaktive elektronische Landkarte ermöglicht die Recherche nach früheren Lagerstandorten in der Region.
Auf dem Weg in die Zukunft – Bildungs- und Vermittlungskonzept
Die Ausstellung funktioniert grundsätzlich ohne zusätzliche Erklärungen. Ergänzt und thematisch geweitet wird sie durch ein kreatives Bildungs- und Vermittlungsprogramm, das zusätzlich aktivierend wirkt und Angebote für Jung und Alt beinhaltet.
Weitere Informationen zum Bildungs- und Vermittlungskonzept hier
Bausteine für eine jugendgerechte Vermittlung
Die Vermittlungsangebote der Ausstellung richten sich an den historischen Vorkenntnissen der jungen Besucher_innen und am zeitlichen Rahmen ihres Aufenthalts in der Ausstellung aus. Das Vermittlungsprogramm besteht aus Modulen, die je nach Interessen und Bedürfnissen flexibel kombiniert werden können.
Für den Kurzbesuch
Um langweilige Frontalvorträge zu vermeiden, gibt es für Schulklassen und Jugendgruppen keine klassischen Führungen. Für den Kurzbesuch bietet sich stattdessen die etwa 90-minütige Erkundungstour an: Anhand ausgewählter Bilder, die in den 13 Stationen zu suchen sind, zeigen und erklären sich junge Menschen gegenseitig die Ausstellung – interaktiv und persönlich.
Mehr Zeit für aktives Lernen
Aktives Lernen und eine eigenständige intensive Auseinandersetzung mit der Ausstellung ermöglicht der „Museumskoffer“. Das drei bis vier Stunden dauernde Programm versetzt junge Menschen in die Rolle von Geschichtsforscher_innen, die der Bedeutung von Gegenständen, Fotos und Dokumenten zur NS‑Zwangsarbeit mithilfe der Ausstellung auf die Spur kommen. Eine Vertiefung der historischen Kenntnisse bieten etwa dreieinhalbstündige Workshops, zum Beispiel zu den Themen „Propaganda und Zwangsarbeit“ und „Biografien ehemaliger Zwangsarbeitender“.
Programmmodule stärken Gegenwartsbezug
Workshops zu aktuellen Themen schlagen die Brücke von der Geschichte zur Gegenwart. So können sich junge Menschen in den Workshops „Noch immer von gestern? ´Volksgemeinschaft´ im jungen Rechtsaußenspektrum“ und „Anecken, ausgrenzen, aufräumen: Strategien des jungen Rechtsaußenspektrums“ (Dauer jeweils 5 – 6 Stunden) kritisch mit dem Wiedererstarken der äußersten Rechten in Deutschland auseinandersetzen. Zugleich dienen diese Workshops als didaktische Fortbildung für die beteiligten Lehrkräfte.
Stadtrundgänge und Exkursionen zu historischen Orten in Göttingen und Northeim
Halbtagsangebote können durch Stadtrundgänge und Busexkursionen zu einem Projekttag erweitert werden. Besucht werden Stätten, an denen Zwangsarbeitende leben und arbeiten mussten. So wird auch außerhalb der Ausstellung sicht- und spürbar, wie eng Zwangsarbeit im Nationalsozialismus mit dem lokalen Alltagsleben verwoben war.
Mehr Informationen über die Angebote für junge Menschen hier.
Von der Führung zum Stadtrundgang – Angebote für die allgemeine Öffentlichkeit
Auch das Vermittlungsangebot für Erwachsene schafft Zugänge zur nationalsozialistischen Vergangenheit, indem Bezüge zur Lebenswelt der Besucher_innen hergestellt werden. Angeboten werden thematische Führungen, etwa zu bestimmten Gruppen von Zwangsarbeitenden oder zu speziellen Einsatzorten, Workshops sowie Stadtrundgänge und Exkursionen zu Stätten der Zwangsarbeit.
Mehr Informationen über die Angebote für die allgemeine Öffentlichkeit hier.
Vortragsveranstaltungen und Sonderausstellungen
Organisiert von der Geschichtswerkstatt Göttingen als Trägerin der Ausstellung, finden in den Ausstellungsräumen immer wieder Vortragsveranstaltungen zu historischen und aktuellen Themen statt, etwa zur Migrationsgesellschaft, zu Rassismus und Antirassismus oder zu Antisemitismus. Außerdem werden Sonderausstellungen gezeigt. Das thematische Spektrum reicht dabei von Spottkarikaturen gegen das NS-Regime über die Kämpfe von Sinti und Roma um ihre Anerkennung als NS-Opfer bis zu den Morden desrechtsterroristischen NSU. Vorträge, Lesungen und andere kulturelle Beiträge begleiten die Sonderausstellungen und regen zu einem kritischen Austausch an.
Aktuelle Veranstaltungen hier
Kontakt, Öffnungszeiten, Träger
Ausstellung „Auf der Spur europäischer Zwangsarbeit. Südniedersachsen 1939-1945“
Godehardstraße 11
37073 Göttingen
Telefon: 0551 / 29 34 69 01
E-Mail: info@zwangsarbeit-in-niedersachsen.eu
Website: www.zwangsarbeit-in-niedersachsen.eu
Öffnungszeiten:
Montags bis freitags 10 – 14 Uhr | donnerstags 15 – 18 Uhr | jeden 1. Sonntag im Monat 14 – 17 Uhr | für Gruppen nach Vereinbarung
Träger der Ausstellung ist die Geschichtswerkstatt Göttingen