Seit in der Aufklärungszeit mit den programmatischen Schriften Moses Mendelssohns und des preußischen Ministers Christian Wilhelm von Dohm die Forderung nach rechtlicher und gesellschaftlicher Gleichberechtigung („Bürgerliche Verbesserung“) der Juden auf der politischen Agenda stand, wurde das Problem der Emanzipation im 19. Jahrhundert auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen heftig diskutiert. Widerstand und Skepsis bei den eher traditions-orientierten Juden auf der einen Seite standen Hoffnung und Begeisterung über den bevorstehenden „Eintritt in das Bürgertum“ bei aufgeklärt-liberalen Kreisen auf der anderen Seite gegenüber. Wohlwollen und Widerstand wechselten sich auf nichtjüdischer Seite ab. Die Erfolge der Emanzipation führten nicht selten zu früh-antisemitischen Gegenbewegungen, aus denen schließlich auch der moderne Antisemitismus erwuchs.
Der Referent, der sich in seinen rechts- und sozialhistorisch angelegten Forschungsbeiträgen seit vielen Jahren mit dieser Thematik auseinandergesetzt hat, wird in seinem Vortrag einen auf historischen Quellen beruhenden Einblick in die Erfolge und Misserfolge der Emanzipationsentwicklung bieten. Besonders anhand hessischer Quellen, die ihm besonders vertraut sind, wird er den Ursachen nachgehen, an denen eine Akkulturation bzw. Integration der Juden in die mehrheitlich christlich orientierte bürgerliche Gesellschaft nicht wirklich gelang. Es wird von erfüllten Hoffnungen ebenso wie von enttäuschten Erwartungen die Rede sein.
Wer die Entwicklung des Antisemitismus vom Nationalsozialismus bis hin zur Gegenwart verstehen will, wird in den Emanzipationsentwicklungen des „langen“ 19. Jahrhunderts einige Hinweise darauf finden, wie sich die spätere Entwicklung erklären lässt.
Prof. Dr. J. Friedrich Battenberg ist Jurist und Historiker. Er war lange Zeit Leiter des Hessischen Staatsarchivs in Darmstadt und ist zugleich außerplanmäßiger Professor für mittelalterliche und neuere Geschichte an der Technischen Universität Darmstadt. Seine Forschungsschwerpunkte sind neben der Justizgeschichte die Geschichte der Juden der vormodernen Zeit in Mitteleuropa.
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