Simulierte Authentizität? Chancen und Risiken von augmented und virtual reality an Gedenkstätten

Sind an Orten der nationalsozialistischen Verfolgung augmented und virtual reality Angebote angemessen? Wie vertragen sich AR und VR mit dem in vielen Gedenkstätten und Museen hochgehaltenen Prinzip des forschenden Lernens, das die historischen Quellen in den Mittelpunkt stellt und auf Sinnstiftungen und Rekonstruktionen verzichtet?

von Jens-Christian Wagner

In fast allen KZ-Gedenkstätten gibt es seit Jahrzehnten klassische analoge Lagermodelle, die den Besucherinnen und Besuchern die Möglichkeit geben sollen, sich räumlich und historisch zu orientieren. Mal mehr, mal weniger originalgetreu vermitteln sie einen Eindruck, wie das ehemalige Lager, dessen Baulichkeiten meist nicht mehr vorhanden sind, einmal ausgesehen hat und welche Ausmaße es hatte. Häufig stehen diese Modelle am Beginn von Gruppenführungen. Ergänzend, teils auch die klassischen Modelle ersetzend, werden seit einigen Jahren vielfach auch digitale Möglichkeiten der augmented reality (AR) verwendet, um nicht mehr vorhandene bauliche Strukturen zu visualisieren. Manche Anwendungen gehen noch weiter: Virtual-reality-Angebote (VR) sollen den Nutzenden die Möglichkeit bieten, sich virtuell in historische Situationen hineinzubegeben und diese emotional nachzuempfinden.

Sind solche Angebote für Gedenkstätten beziehungsweise für die Bildungsarbeit zur Geschichte der NS-Verbrechen angemessen? Entsprechen sie dem im Beutelsbacher Konsens für die historisch-politische Bildung festgeschriebenen Überwältigungsverbot und dem Kontroversitätsgebot? Wie vertragen sich AR und VR mit dem in vielen Gedenkstätten und Museen hochgehaltenen Prinzip des forschenden Lernens, das die historischen Quellen in den Mittelpunkt stellt und auf Sinnstiftungen und Rekonstruktionen verzichtet? Das sind sehr prinzipielle Fragen, die nicht nur für digitale Möglichkeiten der Gedenkstättendidaktik relevant sind, sondern im Grunde auch für die klassischen analogen Methoden gelten. Der Vorstellung einiger neuerer digitaler Angebote in Gedenkstätten seien deshalb generelle Überlegungen zum Wechselverhältnis zwischen Rekonstruktion und historischer Quelle sowie historischem Lernen vorangestellt.

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Zitation

Jens-Christian Wagner: Simulierte Authentizität? Chancen und Risiken von augmented und virtual reality an Gedenkstätten, in: Gedenkstättenrundbrief 196 vom 30. Dezember 2019, S. 3-9