Inhalte und Ziele
Das Wissen über den Beitrag des Justiz zur nationalsozialistischen Herrschaft ist überwiegend gering: In den Lehrplänen der Schulen spielt das Thema kaum eine Rolle, und auch angehende Jurist_innen werden nur selten darüber informiert. Dabei zeigen nicht nur das Beispiel des Nationalsozialismus, sondern auch aktuelle Entwicklungen in vermeintlich demokratischen Staaten, dass die Garantie von Menschen- und Bürgerrechten gelebt und verteidigt werden muss.
Der ideologische Hintergrund der NS-Justiz lässt sich an mehreren Tatsachen belegen: a) der Einführung willkürlicher Kategorien wie „gesundes Volksempfinden“ oder „Volksschädling“ als Maßstäbe der Urteilsfindung, b) der enormen Ausweitung der Delikte, für die die Todesstrafe verhängt werden konnte, und c) aufgrund der tatsächlichen Vollstreckung eines Großteils dieser Urteile. Die Juristen erwiesen sich dabei in ihrer übergroßen Mehrzahl als willfährige Erfüllungsgehilfen der im Rahmen einer „Perversion der Rechtsordnung“ agierenden „Blutjustiz“ (Bundesgerichtshof 1995).
Der historische Ort
In dem ehemaligen Strafgefängnis Wolfenbüttel lässt sich der Beitrag von Justiz und Strafvollzug zum nationalsozialistischen Unrechtsstaat beispielhaft untersuchen. „Wer außerhalb der Volksgemeinschaft steht, steht auch nicht im Recht, ist nicht Rechtsgenosse. (…) Rechtsgenosse ist nur, wer Volksgenosse ist, Volksgenosse ist, wer deutschen Blutes ist“, formulierte in deutlicher Anlehnung an das Parteiprogramm der NSDAP von 1920 der Kieler Rechtsprofessor Karl Larenz 1935 in seiner Abhandlung zur „Wandlung der Rechtsgrundbegriffe“. Im Strafgefängnis Wolfenbüttel wurden daher „Gemeinschaftsfremde“, die in der nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft“ keinen Platz mehr haben sollten, inhaftiert: politische Gegner, Widerstandskämpfer aus dem In- und Ausland, „Volksschädlinge“, Juden, Sinti und Roma, Zeugen Jehovas und Homosexuelle. In der 1937 eingerichteten Hinrichtungsstätte wurden zudem 526 zum Tode verurteilte Männer und Frauen Opfer der NS-Justiz.
Frühere Gemeinschaftshaftzellen, eine Einzelarrestzelle, demnächst auch eine „Todeshaftzelle“ sowie das ehemalige Hinrichtungsgebäude können, obwohl auf dem Gelände einer sich im Betrieb befindlichen Justizvollzugsanstalt gelegen, auch heute noch im Rahmen eines pädagogischen Angebots besichtigt werden.
Führungen und Workshop-Angebote
Die Gedenkstätte bietet je nach zur Verfügung stehender Zeit unterschiedliche Formate an: von einstündigen Kurzführungen, die einen Überblick in der Dauerausstellung über das Thema vermitteln, bis zu mehrtägigen Workshops, in denen die Teilnehmer_innen nicht nur intensiv am Thema arbeiten, sondern auch weitere Module (z.B. ein Besuch des Friedhofs mit dem Gräberfeld der Hinrichtungsopfer, eine Führung durch die moderne JVA, eine Begegnung mit Gefangenen der JVA, eine Rundgang durch Wolfenbüttel, ein Besuch der Gedenkstätte Braunschweig-Buchhorst) nach Absprache möglich sind.
Wichtig ist bei den mehrstündigen Formaten die Aktivierung von Eigentätigkeiten der Teilnehmer_innen auf der Basis der modernen, abwechslungsreichen Methoden, die in der Gedenkstätte angeboten werden. Die im November 2019 eröffnete Dauerausstellung bietet zusätzliche Optionen der vertiefenden Beschäftigung mit der Thematik.
Thematische Schwerpunkte (z.B. Widerstand im Nationalsozialismus, Todesstrafe, Aufarbeitung der Familiengeschichte durch Angehörige der NS-Justizopfer, Erinnerungskultur in der Bundesrepublik Deutschland) sind nach Absprache möglich. Angebote in Einfacher Sprache werden derzeit erprobt.
Kontakt und Anmeldung
Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel
Am Herzogtore 13
38300 Wolfenbüttel
Telefon: +49 (0) 5331 – 935501-21
E-Mail: wolfenbuettel@stiftung-ng.de
Der Besuch der Gedenkstätte und die pädagogischen Angebote sind kostenlos. Eine langfristige vorherige Anmeldung ist jedoch erforderlich.
Mehr über die Gedenkstätte Wolfebüttel
- auf geschichte.bewusst.sein.de
- auf ihrer Homepage