Biografien von Opfern der Deportationen aus Nordwestdeutschland zwischen 1941 und 1945

Die Deportationen in die Vernichtungslager bildeten im nationalsozialistischen Deutschland für verschiedene Bevölkerungsgruppen den Abschluss einer radikalisierten Diskriminierung und Entrechtung. Das Ziel war eine nach rassistischen Kriterien „reine Volksgemeinschaft“. Nur wenige der Verschleppten überlebten den Massenmord.

Die Biografien der Opfer aus Nordwestdeutschland zeigen den Prozess der stufenweisen Ausgrenzung aus der Gesellschaft. Die prägnant gehaltenen Texte beantworten dabei nicht alle Fragen. Sie können aber als Ausgangspunkt für weitere Recherchen vor Ort dienen.

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Transport Bremen / Hamburg – Minsk 18. November 1941

Adolf Leo Philippsohn

aus Osten (Landkreis Cuxhaven)

1899 - ?

Verfolgt als Jude

Familie
Adolf Philippsohn (stehend links) im Kreis des Kegelvereins. (Privatbesitz)

Adolf Leo Philippsohn, geboren am 24. Juli 1899 in Osten/Oste (Landkreis Cuxhaven), entstammte einer Familie, die dort bereits seit 1805 ansässig war. Der kleine Kirchort hatte etwa 800 Einwohner und zwei jüdische Kaufleute lebten dort. Adolf war der jüngste Sohn von Julius Philippsohn. Seine beiden älteren Brüder waren im Ersten Weltkrieg gefallen. 1921 starb sein Vater, dessen Produkten-Geschäft er übernahm. Wesentlicher Punkt war der Fellhandel. Die frischen Felle wurden gesalzen, was mit großem Gestank verbunden war, und nach dem Trocknen verkauft, vor allem nach Hamburg. 1926 heiratete er Irmgard Mosenthal aus Dransfeld. Sie trug einen „Scheitel“ und hatte das Haar zu zwei Schnecken aufgerollt. Am 30. September 1928 wurde ihre Tochter Anna Luise geboren.

Anna Luise besuchte die christliche Schule, ihre Freundinnen spielten im Haus ihrer Eltern. Ihr Vater war in der bürgerlichen Gesellschaft integriert. Er gehörte dem Kegelklub an und saß im Gemeinderat. Nach der Pogromnacht 1938 musste Anna Luise die Schule verlassen, der Vater sah sich gezwungen, sein Geschäft aufzugeben. Zu spät bereitete er die Emigration vor, sein Freund, der Zimmerer, stellte dafür noch Kisten her. Kurz vor der Deportation sagte Adolf zu seinem Freund: „Was mach ich nun, erschieße ich erst meine Familie und dann mich?“

 

Autor: Jürgen Bohmbach, Stade

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