Biografien von Opfern der Deportationen aus Nordwestdeutschland zwischen 1941 und 1945

Die Deportationen in die Vernichtungslager bildeten im nationalsozialistischen Deutschland für verschiedene Bevölkerungsgruppen den Abschluss einer radikalisierten Diskriminierung und Entrechtung. Das Ziel war eine nach rassistischen Kriterien „reine Volksgemeinschaft“. Nur wenige der Verschleppten überlebten den Massenmord.

Die Biografien der Opfer aus Nordwestdeutschland zeigen den Prozess der stufenweisen Ausgrenzung aus der Gesellschaft. Die prägnant gehaltenen Texte beantworten dabei nicht alle Fragen. Sie können aber als Ausgangspunkt für weitere Recherchen vor Ort dienen.

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Transport Hannover – Riga 15. Dezember 1941

Georg Reichmann

aus Hameln

1886 - 1945

Verfolgt als Jude

Gedenkstätte
Stolperstein für Georg Reichmann, verlegt am 29. Januar 2015 vor dem Haus Alte Marktstraße 52 in Hameln. (Foto: Joachim Schween, 2015)

Georg Reichmann wurde am 12. März 1886 in Kiew geboren. Er war im Ersten Weltkrieg als russischer Kriegsgefangener nach Hameln gekommen und nach Auflösung des Kriegsgefangenenlagers dort geblieben. Von Beruf war er Schuhmachermeister. Seine kleine Werkstatt und die bescheidene Wohnung befanden sich seit 1931 in der Alten Marktstraße 52.

Georg Reichmann hatte sehr unter dem Antisemitismus der Hamelner Bevölkerung zu leiden. Weil er sich geweigert hatte, den gelben Stern zu tragen, nahm ihn die Polizei am 29. September 1941 in „Schutzhaft“. Sie sperrte ihn in das Hamelner Gerichtsgefängnis ein, um ihn am 1. Oktober an die Gestapo Hannover auszuliefern. Diese verschleppte ihn in das Gestapo-Lager Liebenau. Am 15. Dezember 1941 wurde Georg Reichmann aus Hannover-Ahlem in das Ghetto Riga deportiert.

Einer Notiz des städtischen Vermessungsrats Reiche vom 14. Februar 1942, die sich im Stadtarchiv Hameln erhalten hat, ist zu entnehmen, dass der Stadtverwaltung bekannt war, dass die Deportierten nicht zurückkehren würden:

„Nach Rücksprache mit der Kriminalpolizei ist das Vermögen des Schuhmachers Reichmann von dem Oberfinanzpräsidenten in Hannover verkauft worden. Über den Erlös der Versteigerung hat auch der Oberfinanzpräsident verfügt.“

Aus dem Ghetto Riga wurde Georg Reichmann am 9. August 1944 in das KZ Stutthof bei Danzig gebracht. Am 16. August 1944 lieferte ihn die SS in das KZ Buchenwald ein. Dort wurde er am 17. März 1945 ermordet.

Mehr Informationen:
Die Dokumentation der Opfer der NS-Herrschaft in der Stadt Hameln und im Landkreis Hameln-Pyrmont

Autor: Bernhard Gelderblom, Hameln
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