Biografien von Opfern der Deportationen aus Nordwestdeutschland zwischen 1941 und 1945

Die Deportationen in die Vernichtungslager bildeten im nationalsozialistischen Deutschland für verschiedene Bevölkerungsgruppen den Abschluss einer radikalisierten Diskriminierung und Entrechtung. Das Ziel war eine nach rassistischen Kriterien „reine Volksgemeinschaft“. Nur wenige der Verschleppten überlebten den Massenmord.

Die Biografien der Opfer aus Nordwestdeutschland zeigen den Prozess der stufenweisen Ausgrenzung aus der Gesellschaft. Die prägnant gehaltenen Texte beantworten dabei nicht alle Fragen. Sie können aber als Ausgangspunkt für weitere Recherchen vor Ort dienen.

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Transport Bremen / Hamburg – Minsk 18. November 1941

Henny Cohen

aus Osterholz

1905 - ?

Verfolgt als Jüdin

Schüler
Henny Cohen im Turnverein „Gut Heil“ 1928. (Sammlung Klaus Beer)

Am 10. November 1938 wurde die Haustochter Henny Cohen verhaftet. Während die männlichen Juden länger inhaftiert blieben, wurde sie bereits am nächsten Tag wieder entlassen. Die Familie war in der Pogromnacht von SA-Leuten heimgesucht worden.

Henny Cohen wurde am 31. Januar 1905 als Tochter von Alfred und Flora Cohen, geb. Assenheimer geboren. Sie blieb ledig und arbeitete wohl im Manufakturwarengeschäft ihres Vaters mit, das dieser 1900 von seinem Vater Meyer Cohen übernommen hatte.

Der Stammvater der Familie war Hennys Urgroßvater Nathan, der sich 1814 in Osterholz niederließ und 1825 ein Schlachtergeschäft gründete. 1824 war er zum Distriktvorsteher der Jüdischen Gemeinden in der westlichen Landdrostei bestellt worden. Sein vierter Sohn Meyer Cohen gründete 1884 das Geschäft, das Hennys Vater übernahm.

Henny gehörte als junge Frau dem örtlichen Turnverein „Gut Heil“ an, wie das Foto von 1928 zeigt. Ihr jüngerer Bruder Fritz emigrierte 1937. Das Geschäft des Vaters ging schon 1935 in Konkurs, wohl als Folge des 1933 einsetzenden Boykotts. Ab 1937 konnte er den Handel nur noch als Wandergewerbe betreiben, die Familie wohnte nun zur Miete. Sein Bruder Siegmund wurde in der Pogromnacht so stark misshandelt, dass er ein Jahr später an den Folgen starb. Ein selbständiger Geschäftsbetrieb war für Alfred nicht mehr möglich. Henny und ihre Eltern mussten 1939 zu dem jüdischen Kaufmann Davidsohn in die Bahnhofstraße ziehen. Von hier aus musste sie am 17. November 1941 nach Bremen fahren. Ihre Eltern wurden 1942 über Bremen nach Theresienstadt deportiert. Die Mutter Flora überlebte.

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Aktenvermerk vom 24. November 1941. (Stadtarchiv Osterholz-Scharmbeck)

 

Autor: Jürgen Bohmbach, Stade
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