Biografien von Opfern der Deportationen aus Nordwestdeutschland zwischen 1941 und 1945

Die Deportationen in die Vernichtungslager bildeten im nationalsozialistischen Deutschland für verschiedene Bevölkerungsgruppen den Abschluss einer radikalisierten Diskriminierung und Entrechtung. Das Ziel war eine nach rassistischen Kriterien „reine Volksgemeinschaft“. Nur wenige der Verschleppten überlebten den Massenmord.

Die Biografien der Opfer aus Nordwestdeutschland zeigen den Prozess der stufenweisen Ausgrenzung aus der Gesellschaft. Die prägnant gehaltenen Texte beantworten dabei nicht alle Fragen. Sie können aber als Ausgangspunkt für weitere Recherchen vor Ort dienen.

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Transport Hamburg – Riga 6. Dezember 1941

Lucie Baden, geb. Joseph, verw. Behr

aus Lüneburg

1887 - ?

Verfolgt als Jüdin

Mädchen
Lucie Baden (Bildmitte im weißen Kleid) mit ihren Kindern Arnold (links im Matrosenanzug), Elisabeth (stehend neben ihrer Mutter) und Ruth (zweite von rechts), Aufnahme ca. 1920. (Privatbesitz)

Die Schwiegereltern von Lucie Behr hatten 1852 in Lüneburg das Schuhhaus Behr gegründet. Lucie, die am 19. Juni 1887 in Stettin geboren wurde, war verheiratet mit Max Behr, der das Geschäft übernommen hatte. Die Eheleute bekamen drei Kinder: Ruth, Arnold und Elisabeth. Max Behr verstarb 1924, seiner Frau Lucie vererbte er das Haus und das Grundstück. Die Witwe heiratete 1925 den Geschäftsmann Sally Baden. Das Schuhhaus wurde daraufhin unter dem Namen Behr-Baden weitergeführt und 1927 konnte das 75jährige Geschäftsjubiläum gefeiert werden.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten erkannte Lucie Behr-Baden schon früh die Gefahr, denn sie hatte „Mein Kampf“ gelesen und auch ernst genommen. Ihr Ehemann Sally hingegen fand ihre Befürchtungen übertrieben. Arnold und Elisabeth Behr flohen 1934 und 1936 nach Palästina. Ihre Mutter konnte sie dort sogar noch besuchen, auf der Rückreise wurde ihr jedoch der Pass abgenommen. Ruth Behr floh 1938 nach Australien.

Am 10. November 1938 wird Sally Baden nach Sachsenhausen deportiert, Anfang 1939 jedoch entlassen, nachdem Ehefrau Lucie das Haus und das Grundstück zwangsweise an einen „arischen“ Interessenten verkauft hatte. Nach dem Zwangsverkauf des Schuhgeschäftes mussten Lucie und Sally Baden in ihrem früheren Haus zur Miete wohnen.

Im Juli 1939 schickte Ruth Behr ihnen zwei Schiffskarten für die Flucht nach Australien. Durch den Kriegsbeginn am 1. September scheiterte die Ausreise. Zwischen 1939 und 1941 mussten Sally und Lucie Baden mehrmals die Wohnung wechseln. Beide wurden am 6. Dezember 1941 in das Außenlager Jungfernhof des Ghettos Riga deportiert. Was dort mit ihnen geschah, ist nicht bekannt. Das Ehepaar Baden wurde unter dem Datum 8. Mai 1945 für tot erklärt.

 

Literatur:
Sybille Bollgöhn: Jüdische Familien in Lüneburg: Erinnerungen. Geschichtswerksatt Lüneburg e.V., 1995.

Autor: Geschichtswerkstatt Lüneburg e.V.
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