Biografien von Opfern der Deportationen aus Nordwestdeutschland zwischen 1941 und 1945

Die Deportationen in die Vernichtungslager bildeten im nationalsozialistischen Deutschland für verschiedene Bevölkerungsgruppen den Abschluss einer radikalisierten Diskriminierung und Entrechtung. Das Ziel war eine nach rassistischen Kriterien „reine Volksgemeinschaft“. Nur wenige der Verschleppten überlebten den Massenmord.

Die Biografien der Opfer aus Nordwestdeutschland zeigen den Prozess der stufenweisen Ausgrenzung aus der Gesellschaft. Die prägnant gehaltenen Texte beantworten dabei nicht alle Fragen. Sie können aber als Ausgangspunkt für weitere Recherchen vor Ort dienen.

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Transport Osnabrück – Auschwitz 4. oder 5. März 1943

Maria Imker, geb. Christin

aus Osnabrück

1907 - 1944

Verfolgt als Sintizza

Maria Imker mit ihren Töchtern Gertrud und Adelheid (Privatbesitz)

Marie-Luis Imker, geb. Christin, wurde am 30. Dezember 1907 in Braunschweig geboren. Sie war mit Wilhelm Imker, geb. 24. Dezember 1906, verheiratet. Die Familie lebte ab 1934/35 in einem selbstgebauten Holzhaus in der Barackensiedlung „Papenhütte“ in Osnabrück. An diesem Ort der gesellschaftlichen Ausgrenzung konzentrierte die Stadt Osnabrück als „asozial“ stigmatisierte Bürgerinnen und Bürger am Rande der Stadt und wollte sie durch diese Ausgrenzung einer „besonderen Aufsicht und Erziehung“ unterstellen. Im November 1938 wurden zahlreiche Osnabrücker Sinti ihrer Wohnung enteignet und zwangsweise in eine Baracke der „Papenhütte“ eingewiesen. Dem rassistischen Ausschluss aus der nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft“ folgte ab 1938 die Festnahme und Verschleppung eines großen Anteils der Osnabrücker Sinti in Konzentrationslager.

Am 1. März 1943 gipfelte die zunehmende Verfolgung in der Verhaftung und Deportation von 54 Osnabrücker Sinti durch die örtliche Kriminalpolizei in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau.

Zusammen mit ihren Töchtern Gertrud, geb. am 24. März 1932, und Adelheid, geb. am 10. Juli 1938, war Maria Imker am 1. März 1943 zu Besuch bei ihrem Sohn Arthur, der zu dieser Zeit im Marienhospital war. Dadurch wurde sie bei den Verhaftungen in Osnabrück zunächst nicht erfasst. Allerdings konnte sie gemeinsam mit ihren beiden Töchtern der Verhaftung und Deportation nur kurz entkommen. Sie wurden kurz nach der Festnahme des Mannes und des jüngsten Sohnes Konstantin (geb. am 12. oder 17. April 1942) ebenfalls nach Auschwitz verschleppt. Nur der siebenjährige Arthur Imker blieb in Osnabrück zurück und überlebte. Auch das Eigentum der Familie Imker wurde enteignet und in der „Aufstellung von zurückgelassenen Vermögenswerten zigeunerischen Personen“ vom 1. September 1943 der Osnabrücker Kriminalpolizei aufgeführt.

Marie-Luis Imker starb wahrscheinlich Ende August 1944 in Auschwitz. Ihr Mann Wilhelm starb bereits am 30. März 1943 und Ihre Tochter Gertrud, sowie ihr Sohn Adelheid wahrscheinlich 1943 und der jüngste Sohn Konstantin kurz nach seinem ersten Geburtstag am 21. April 1943. Todesort für alle war Auschwitz.

Von den insgesamt mindestens sechzig deportierten Osnabrücker Sinti überlebten nur sechzehn. Die überlebenden Sinti blieben in Deutschland als „Zigeuner“ ausgegrenzt. Bis Mitte der 1980er Jahre wurde ihre Verfolgungsgeschichte in der Erinnerungskultur der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkannt. Fünfzehn Sintifamilien lebten bis in die 1980er Jahre in großer Armut am Rande der Stadtgesellschaft an der „Papenhütte“. Erst dann – rund 60 Jahre nach seiner Entstehung – ebnete die Stadt diesen Ort sozialer Ausgrenzung ein.

Wilhelm Imker (Privatbesitz)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Autor: Büro für Friedenskultur, Osnabrück
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